1998
... und dieses Jahr war ja auch wieder Roskilde.

Das Wetter war im Großen und Ganzen sehr ordentlich.  Es hat zwar ab und zu geregnet, aber glücklicherweise (für uns) nur, wenn wir bei Zeltkonzerten waren oder nachts. Allerdings war es nachts z.T. doch eklig kalt. Ärgerlich waren aber zahlreiche Absagen wie z.B. MARILYN MANSON, VERVE, ECHO & THE BUNNYMEN, MORISSEY, KYLIE MINOUGUE (!)

DONNERSTAG
Die Anfahrt haben wir auf die Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag gelegt, und mit einer Flasche Wein läßt es sich auch im InterRegio ganz gut nächtigen. Nach 11stuendiger Fahrt kamen wir also dort an und sind erstmal in die Stadt einkaufen gegangen, Speis und Trank und Zeltschnur halt. Die eine Hälfte der Einwohner der Stadt war offensichtlich mit Bierverkauf beschäftigt (Hmmm, Carlsberg!), während der Rest unterwegs war, das Leergut einzusammeln, um so den Festival-Touristen auch das Pfandgeld gleich wieder abluchsen zu können.

Mit dem Festival-Zug gings dann direkt zum Ort des Geschehens. Zeltplatz finden und Zeltaufbau ging relativ unproblematisch vonstatten, außer daß eine Zeltstange brach und wir während des gesamten Festivals inständig beteten, daß es nicht allzu stark regnen möge.

Für uns begann das Festival mit TORTOISE. Klang recht interessant, irgendwie waren wir aber viel zu sehr darauf erpicht, das gesamte Gelände in Augenschein zu nehmen - und den Spielplatz auszuprobieren. Nachdem dies geschehen war, guckten wir für ein paar Stücke bei SOULFLY vorbei. Naja, Pruegelgrummel-Metal und ein paar SEPULTURA-Songs auch (Roots, Chaos A.D.). Dann das erste Highlight: TORI AMOS. Bei weitem nicht so anstrengend wie erwartet, sehr kraftvoll mit guter Band - Genial! Wie die meisten Konzerte dauerte auch dieses etwa 1 Stunde. Dann quer über dann ganze Gelände (20 Minuten), MEREDITH BROOKS ignoriert, vorbei an SLAYER (s.o.) und COAL CHAMBER (falls die überhaupt gespielt haben, sah mehr nach Umbaupause aus) auf die "Autobahn". Ich dachte eigentlich, ein Auftritt von KRAFTWERK kann eigentlich nicht besonders spannend sein, aber durch die visuelle Umsetzung per Videoschirm etc. war dieser Auftritt, der ja eigentlich kein Konzert im engeren Sinne war ziemlich Klasse. Ein paar neue Stücke gabs auch. Überraschend war auch, daß die alten Stücke kein bißchen abgestanden wirkten. Lediglich "Das Model" fiel ein wenig ab. Wo wir doch grade beim Thema "Legenden" waren, gings gleich wieder zurück zur Orange Stage, wo die Opis von BLACK SABBATH in Originalbesetzung mit OZZY OSBOURNE spielten. "You all go fucking crazyyyy", so lassen sich die Ansagen des Herrn Osbourne zusammenfassen. War ganz nett, aber auch nicht sooo sensationell toll. Der Gig von TRICKY auf der Red Stage war gerade zu Ende, als ich vorbei ging, Henrike war kurz da, hatte aber nur Erinnerungen an bunte Lichter. Schlafenszeit.

FREITAG

Der Freitag begann mit einem netten Frühstück mit Carlsberg. Das zog sich ein wenig in die Länge, so daß wir TURBONEGRO verpaßten. Da uns nach etwas lustigem zumute war, guckten wir kurz bei DIMMU BORGIR vorbei. Der Brueller: Grunzende Norweger, die - very evil - auf ihren Instrumenten rumprügelten, die Mähnen kreisen ließen und Masken trugen, mit denen sie achtkantig aus der Akademie für drittklassige Kiss-Fans geflogen wären. Nach zehn Minuten war dieser Blödsinn dann auch nicht mehr komisch und es ging weiter zu PARADISE LOST. Ich weiß, daß die auch als Death-Metal-Kapelle angefangen haben, aber was die heute machen, ist für mich reiner Gruft-Rock. Da ich sowas nun mal (immer noch) mag, hat es mir prächtig gefallen und selbst Henrike, die das PARADISE LOST-Konzert in HH vor ein paar Jahren für das schlechteste hält, das sie je gesehen hat (mir gings ebenso), war angetan. Dann aber gabs den ersten Reinfall: BERNHARD BUTLER war so etwas von sterbenslangweilig, daß wir noch wahrend des zweiten Stücks verschreckt zum Zelt zurückgingen, um erstmal ein Bierchen auf den Schreck zu trinken. In direkter Nachbarschaft war ein größeres Lager mit Leuten aus Norwegen. Da die eigentlich immer, wenn jemand von uns mal zwischendurch zum Zelt ging da waren, frage ich mich, ob die eigentlich irgendein Konzert gesehen haben. Den Anfang von SONIC YOUTH haben wir verpaßt und auch der Rest war meine Sache eigentlich nicht. Vielleicht war es auch einfach nur zu hell.
Im Gegensatz zum letztjährigen Auftritt auf dem Bizarre-Festival in Köln, hatten ASH diesmal offenbar Lust zu spielen, präsentierten zahlreiche neue Stücke und verbreiteten einfach eine phantastische Stimmung. Danach wollte ich eigentlich mal gucken, was die DEFTONES eigentlich für Musik machen (kenne ich nur vom Hörensagen), Wir blieben aber im ROSKILDE BALLROOM hängen, wo sich die SKATELITES gerade zum absoluten Highlight des Freitags spielten. Einfach genial: Da stehen einige z.T. über 70jaehrige Jamaikaner auf der Bühne und zelebrieren die wirkliche Urform des Ska, abseits von Madness und No Doubt - und das Zelt tobt. Durch dieses Konzert vergaß ich vollkommen, daß ich eigentlich zu JON SPENCER & THE BLUES EXPLOSION wollte und von BOB DYLAN bekam ich auch nur zwei Stücke mit - und die fand ich langweilig. Was nützen die besten Songschreiber-Qualitaeten, wenn der Kerl nicht singen kann? Henrike war währenddessen zu JUNKIE XL abgewandert. War wohl ganz gut (sagt sie, klar, sind ja Holländer). Wir trafen uns dann zur zweiten Portion Ska, diesmal mit ner Prise Punk drin, bei den MIGHTY MIGHTY BOSSTONES wieder. War in Ordnung, nur der Sänger sollte mal vom Trainer ausgetauscht werden.

Henrike ging dann zu PIZZICATO FIVE (war gut), während ich mich zur Orange Stage begab, um mir nen guten Platz für GARBAGE zu sichern. und dann begann mal wieder das alte Spiel (ich sollte es mittlerweile aber auch begriffen haben): Quetsch, Drängel und jede Menge Stiefel in der Fresse und im Nacken. Ansonsten war’s aber sehr gut, nicht nur die "Hits", sondern auch seltenere Stücke wie "Trip my wire" und "Girl don´t come". Insgesamt kam auch das neue Material nicht so glattlackiert wie auf Platte daher. Shirley Manson erklärte dann noch einem dänischen Nationalspieler ihre Liebe und hatte eventuelle (dänische) Zweifler endgültig auf ihrer Seite. Das letzte Stück hörte ich mir dann nicht mehr zu Ende an. Nachdem ich meine Knochen wieder sortiert hatte, eilte ich zur Green Stage, wo die MISFITS (mal wieder mit neuem Sänger) aufspielten. Die Herrschaften legten ein für ihr Alter extrem heftiges Tempo vor, der Sound war miserabel (Sänger teilweise nicht zu hören) und es war genial! Horror-Comic-Mitgroehl-Pruegel-Punk, alte und neue Stücke munter gemischt und keines über 2 Minuten. Nach dem (meiner Meinung nach) viel zu frühen Ende guckte ich noch kurz bei den in Roskilde wohl unvermeidlichen D.A.D. vorbei. War langweilig, so daß für mich Schlafenszeit war. Henrike trudelte dann kurz nach mir ein, so daß zu den Klage-Tönen der WEEPING WILLOWS HeiaBubu angesagt war.

SONNABEND

Unsanftes Wecken durch einen Hip-Hop-Event auf der Yellow Stage. Da Hip Hop nun absolut nicht mein Ding ist, sonst nix interessantes lief und Henrike nach Kopenhagen wollte, verließen wir das Festivalgelände - Henrike nach Kopenhagen und ich nach Roskilde, einkaufen (mampf & glugg). Als ich zurück kam, gab es ein paar Enttäuschungen für mich: ECHO & THE BUNNYMEN hatten ihren Auftritt gecancelt, ebenso THE VERVE. Statt dessen spielten die STRANGLERS. Da ich keinen Plan hatte, was ich sonst tun sollte (Interessante Konzerte warn nicht), gesellte ich mich zu ca. 4.000 Fußballfans, die auf der Großbildleinwand Norwegen - Italien guckten. Die Stimmung war naturgemäß etwas gedämpft, aber zumindest die vier oder fünf Italiener hatten was zum jubeln.

Es war mittlerweile 19 Uhr, und Henrike aus Kopenhagen zurück. Wir beschlossen, man könnte den STRANGLERS ja mal nen Besuch abstatten - ohne große Erwartungen freilich. Es wurde dann aber doch sehr nett, klar, im Prinzip eine reine Oldie-Show, aber eine gute. Infolgedessen war die Stimmung im Publikum bestens, das Wetter hatte sich zu so etwas ähnlichem wie Sonnenschein entschieden - beste Voraussetzungen für einen Auftritt von PULP - sollte man meinen. Es folgten aber in erster Linie die z.T. sehr langsamen und schrägeren Stücke der neuen Platte. Das war der Stimmung nicht sehr zuträglich und die Gesichter wurden zusehends länger. Nur zwischenzeitlich kam etwas Stimmung auf, als ein junger Mann sich seines (erstaunlich roten) Mageninhalts entledigte. Nach Vollbringung dieses Vorgangs wurde ihm von Umstehenden auch prompt ein Bier in die Hand gedrückt. Das blieb glaube ich auch drin. Als schließlich das Intro zu "Common People" ertönte, meinten wohl alle, die Party könnte nun endlich losgehen, sprich das Publikum tobte - und das war’s dann - keine Zugabe, nix. Unterm Strich sehr enttäuschend.

Nach einer kurzen Mampfpause ging es zurück zur Orange Stage zu den BEASTIE BOYS. Irgendwie kann ich die Aufregung um diese Band nicht nachvollziehen - mag auch mit meiner HipHop-Antipathie zusammenhängen. Jedenfalls wurden sie sehr abgefeiert, trotzdem setzten wir uns lieber an einen der Tische der Freßbuden und guckten Leute an. War auch spannend.

Überall auf dem Festivalgelände gibt es an den Bierbuden Monitore, die einen über aktuelle Änderungen des Programms auf dem Laufenden hielten - und das war in diesem Jahr ja wohl auch notwendig. Vielleicht hätte man da ab und zu mal raufgucken sollen, aber auf der anderen Seite wäre mir dann ja DIE positive Überraschung des gesamten Festivals vorenthalten worden. Wir gingen also zur Green Stage. Nee, also wirklich, eigentlich finden wir alle ja RAMMSTEIN ganz furchtbar doof und scheiße, aber sehen will man das dann ja doch mal (nur zur eigenen Information). Ich war dann aber schon vom Intro sehr irritiert, weil dieses erstens überhaupt nicht zu Rammstein paßte und zweitens mir extrem bekannt vorkam. Als ich dann bereits beim ersten Stück ("Ribbons")  jede Zeile hätte mitsingen können war mir dann schon einiges klarer. Auch wenn der Sänger die Band als ECHO AND THE VERVEMEN vorstellte, korrigierte sich Andrew Eldritch zwei Stücke später. THE SISTERS OF MERCY stellten zu gut einem Drittel bisher unveröffentlichte Stücke vor, garniert mit einer ganzen Reihe "Klassiker", auch wenn bis auf "This Corrosion" die Hits ausgespart blieben. Entweder ist der Mixer seit der Frühjahrstour ausgenüchtert oder Andrews Stimme ist auf wundersame Weise kräftiger geworden, jedenfalls war dieser Auftritt geradezu genial. Die SISTERS OF MERCY sollten aber zusehen, ihr neues Material endlich mal zu veröffentlichen ("Summer" ist klasse), bevor niemand im Publikum mehr die Stücke kennt.. Nach der Zugabe gab es dann allerdings einige unschöne Szenen, weil irgendwelche Hirnis meinten, weitere Zugaben dadurch erzwingen zu können, indem sie sich mit Ordnern anlegten.

Nachdem ich also unverhofft Augen- und Ohrenzeuge eines der (meiner bescheidenen Ansicht nach) besten Konzerts meine Lieblingsband geworden war, schwebte ich glückselig zur Orange Stage und schaute noch ein wenig dem Kasperltheater von RAMMSTEIN zu. Den Skandinaviern scheints gefallen zu haben, allgemein wurde sich insbesondere über den spritzenden Gummischwanz kaputtgelacht (Naja) und den "Engel" konnten fast alle mitsingen (klang lustig). Mich nervte dieses ständige Auf- und Abbauen auf der Bühne. nur damit es einmal "Bumm" sagen konnte.

Da es nun auch wieder recht spät war und die Knochen schmerzten ging es wieder in Richtung Heia. Umrahmt vom Getöse von PENNILESS auf der Red Stage konnte man dann sanft entschlummern.

SONNTAG

Bereits um 12 Uhr begann der Roskilde´98-Endpurt. KENT spielten ihren gesamten Set auf schwedisch, Ausnahme war lediglich das Depeche-Mode-Cover "Stripped". Bis auf dieses war auch dieses Konzert ein gutes, allerdings waren für meinen Geschmack ein paar Balladen zu viel dabei. Schade, eigentlich hätte ich KRISTIN HERSH gerne gesehen, aber auf der Green Stage stand der Auftritt von THE JESUS & MARY CHAIN bevor. "I Hate Rock´n Roll"/"I Love Rock'n Roll" - wie im richtigen Leben (?!?) hat hier wohl die Liebe über den Haß gesiegt. Von Feedbackorgien war allenfalls in Ansätzen etwas zu erahnen, man spielte eine dreiviertel Stunde durch und das auch noch sehr gut! Was sich von ROCKET FROM THE CRYPT nicht eben sagen lies: Ich fands Strunz! 

Da traf es sich natürlich gut, daß als nächstes PRIMAL SCREAM angesetzt waren, so konnten wir RFTC entgehen. Wenn irgend jemand behauptet, Bobby Gillespie sei an diesem Tag richtig klar im Kopf gewesen, muß derjenige die gleichen Substanzen im Hirn gehabt haben! Auf jeden Fall war es richtig gut! Und "Loaded" kam auch! IGGY POP übrigens auch. Und zwar zu einem seiner gewohnten Klasse-Auftritte. Zwar mußte die Großbildleinwand abgeschaltet werden, was Henrike nicht so toll fand (nu sah sie garnix mehr), aber wenn man über die anderen Köpfe hinweggucken konnte, wurde einem doch einiges geboten: Ritt auf Verstärkerturm incl. Fast-Absturz, Sprung ins Publikum, Attackieren sämtlicher Bandmitglieder mittels Mikro. Zuguterletzt wurden beim "Passenger" gut 30 Leute aus dem Publikum auf die Bühne geholt, die dafür auch kräftig fotografieren und tanzen durften. Trotzdem sollte IGGY so langsam mal ein paar andere Stücke einstudieren: Die STOOGES-Klassiker sind mittlerweile fast 30 Jahre alt und bilden trotzdem fast die Hälfte des Sets. Zum Schluß "Louie Louie". Für uns sollte zunächst PORTISHEAD den Schluß des diesjährigen Festivals bilden. Das verschlug mir dann tatsächlich den Atem: Was sich auf Platte für mich in erster Linie langweilig anhörte war live einfach umwerfend. Das Publikum erkreischte sich vier Zugaben und wurde von der Sängerin mit Zwischenständen vom Spiel Dänemark - Nigeria noch weiter angestachelt. Groß!

Zum Abschluß spielte dann auf der Orange Stage noch eine Combo mit dem vielsagenden Namen BOOTLEG BEATLES. Nur insofern erwähnenswert, daß sich wildfremde Menschen bei "All you need is love" in den Armen lagen oder mitgröhlten und das es doch recht erheiternd ist, die typischen Grufti-Walküren (lange, schwarze Haare, ziemlich korpulent) zu "Twist & shout" abhotten zu sehen.

MONTAG
Die Rückfahrt war ein HORROR! Drei Anschlußzüge wegen Verspätungen verpaßt! Ankunft Zuhause : 22.25h statt 19.07!

Nächstes Jahr wieder! 

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