1. -
4.7.1999
Prächtig
war's!
Es gab dieses Jahr wenig Enttäuschungen, einige
Überraschungen
und einige mehr als geniale Konzerte.
Größte
Überraschung: Keine Probleme mit dem Bahntransport: Immer
Sitzplätze,
kaum Verspätungen, alle Anschlußzüge bekommen - und das
bei An und Abfahrt - staun!
Donnerstag,
1. Juli
1999
Wir kamen
rechtzeitig
an, um nach dem Zeltaufbau noch eine kleine Siesta einzulegen.
Danach
gingen wir zur Green Stage um das Festival mit MINISTRY zu
beginnen
- was soll man sagen? Es war, als ob vollkommen unvorbereitet ein
Güterzug
an einem vorbeirumpelt - und zwar 45 Minuten lang in einem recht
heftigen
Tempo! Davon blieb zwar nicht viel hängen, machte aber doch
Spaß!
Ohne größere Hörschäden wechselten wir dann zur
Yellow
Stage, wo sich die STEREOPHONICS redlich mühten, aber
nu wirklich
nix
weltbewegendes zustande brachten. Nach einem kurzen Intermezzo
zurück
am Zelt (um den Bierpegel mit eigens importiertem Beck's wieder
aufzufüllen)
beschlossen wir, auf die MANIC STREET PREACHERS zu verzichten -
Henrike ging zu MOLOTOV, ich ging zu MONSTER MAGNET.
Tja
und dort wurde schweinemäßig gerockt - also wenn schon
Poser-Rock,
dann so! Dann wurde es gar finster: Unheil braute sich zusammen,
finstere
Klänge kündeten vorab schon von dem Schauerlichen, daß
da kommen sollte - und dann spielte MARILYN MANSON ein
stinknormales
Rockkonzert, ein gar nicht mal so übles sogar. Recht putzig war,
wie
dieser Herr der Finsternis sich in großer Pose an den
Bühnenrand
stellte, fordernd eine Hand ausstreckte, um schließlich von einem
Lakai eine Wasserflasche in die Hand gedrückt zu bekommen, aus der
er einen kleinen Schluck zu sich nahm, ihn wieder ausspuckte und die
Flasche
dann ins Publikum warf - und das Ganze so zirka 23mal...
Den
Abschluß
des ersten Tages machten dann METALLICA und obwohl es im
Großen
und Ganzen ein sehr gutes Konzert war, nervten doch so ein, zwei Dinge:
Durch endloses Herumkaspern zwischen den Stücken kann man ein
Konzert
natürlich auf knapp 3 Stunden auswalzen. Und: Wenn sich eine Band
schon mehr oder weniger vom Metal verabschiedet, dann sollte man auch
auf
so überflüssige Metal-Klischees wie endlose Gitarren- und
Baßsoli
verzichten, bei denen man wahlweise wichtig oder gequält ins
Publikum
glotzt. Aber: 6 Zugaben sprechen auf der anderen Seite für sich -
und James Hetfield kriegt wieder lange Haare!
Ach ja, Wetter
war
OK!
Freitag, 2.
Juli
1999
Henrike und
ich
schafften es überraschend früh, aus den Schlafsäcken zu
kommen, so daß wir in aller Ruhe mit dem Festival-Zug nach
Roskilde-City
fahren konnten um einzukaufen. Neben dem obligatorischen Kasten
Øl
erwarben wir auch einige andere Lebensmittel, u.a. leckeren Chili-BUKO,
den es aus unbegreiflichen Gründen nicht in Deutschland gibt. Das
Bier, irgendeine Billigmarke, war ganz genießbar, so daß
wir
nach einigen Kurzbesuchen in Läden, in denen wir Comics
vermuteten,
gemütlich zum Festivalgelände zurückkehrten, um die zu
erwartenden
Strapazen des Tages zu planen.
Los ging es
auf
der kleinen White Stage - aber nicht etwa mit Musik... Schon aus
einiger
Entfernung konnte man das unverkennbar meckernde Organ von JELLO
BIAFRA,
seines Zeichens Ex-Frontmann der Dead Kennedys und Lard, vernehmen.
Zwar
spult der etwas füllig gewordene Herr nun auch schon in seinen
berüchtigten
spoken-word-performances immer wieder die gleichen Tiraden gegen die US
of A herunter, das aber auf eine dermaßen amüsant-zynische
weise,
daß man den Ganzen doch in dem Bewußtsein lauschen konnte,
derade unglaublich politisch korrekt und aktiv zu sein. Nee, nu mal
ehrlich
- hat schon Spaß gemacht.
Dann
Überraschung:
Die GUANO APES haben es tatsächlich geschafft, das Zelt
rund
um die Green Stage zu füllen - und sie rockten das Zelt aber
allerheftigst!
Mag sein, daß sie nicht die originellsten sind, aber weshalb soll
unoriginelle Haudrauf-Lala immer nur aus USA/GB kommen - Live sind sie
jedenfalls klasse. Nach kurzen Umgucken auf dem Festivalgelände
kehrten
wir rechtzeitig wieder zur grünen Bühne zurück um den
phantastischen
Auftritt (den 1.) von SUEDE zu sehen - 1 Stunde lang Hit auf
Hit
(fast nur Singles) und als Krönung das Sex Pistols-Cover "Bodies"
- was noch keiner wußte: Brett Anderson ist in Wirklichkeit ein
Punkrocker!!!!
Tja, schade PLACEBO, ihr hattet das Pech, gleichzeitig mit HEATHER
NOVA zu spielen. Hach nee, war aber auch wieder schön - und
Miss
Nova schaffte es zwischendurch direkt mal, für ein paar Sekunden
ihren
üblichen Schlafzimmerblick abzulegen. Großartiges Konzert,
nur
"Blue Black"
fehlte
zu meinem größten Bedauern.
Tja, Freitag
knubbelte
es sich leider ein wenig, so daß wir MOUSE ON MARS leider
nicht sehen konnten und SKUNK ANANSIE nur zur Hälfte - der
Teil war aber leider auch nicht so umwerfend wie der unglaublich
geniale
Auftritt vor 2 Jahren auf dem Bizarre-Festival. Stattdessen (Spaß
muß sein) gingen wir zu IHM - Wer mir vor 2 Jahren erzählt
hätte,
daß ich freiwillig ein Konzert von ROBBIE WILLIAMS antun
würde,
den hätte ich für BSE-geschädigt erklärt. Nun ja,
ROBBIE
also: So schwer es auch fällt, dies zuzugeben: es war eines der
unterhaltsamsten
und spaßigsten Konzerte, daß ich je gesehen habe. 4 (vier!)
Coversongs, u.a. "Song 2" (darauf komme ich nochmal zu sprechen),
"Should
I Stay or Should I Go", "Hey Jude" und "My Name Is..." von Eminem -
dazu
kam dann noch das unvermeidliche TAKE THAT-Massaker "Back for Good" und
2-6 eigene Songs - und das grüne Zelt stand Kopf. So muß das
bei Boybandkonzerten wohl zugegangen sein...
Nach dieser
Riesenparty
waren R.E.M. auf der Orange Stage genau das richtige
Gegenmittel
- schlicht und einfach brilliant. Ich war nie ein besonders
großer
R.E.M.-Fan und würde mir vermutlich auch jetzt keine Platte von
ihnen
kaufen - aber für mich war dieses Konzert eines der besten, das
ich
je gesehen habe. Am nächsten Tag machte eine dänische Zeitung
mit der Schlagzeile "JESUS PÅ ROSKILDE" nebst einem Bild von
Michael
Stipe auf...
Alles, was
danach
kam, konnte verglichen damit nur mittelmäßig wirken und die
Musik von FAITHLESS ist das ja schließlich auch.
Beeindruckend
war es aber schon, die wogenden Massen im grünen Zelt aus der
Ferne
zu beobachten. Eigentlich wollte ich mir ja noch unbedingt NASHVILLE
PUSSY geben, aber irgendein Wahnsinniger hatte deren Konzert
für
2.30 Uhr angesetzt - wer da fehlte, war der kleine Matthias, der sich
lieber
noch ein Bierchen schmecken ließ, um die nötige Schwere
für
seinen Schlafsack zu erreichen.
Sonnabend,
3. Juli
1999
Warum in drei
Teufelsnamen
haben wir eigentlich diese Unmengen Brot gekauft??? Und wie um alles in
der Welt schaffen es einige Leute, ganze Couch-Garnituren (!!) auf den
Campingplatz zu schleppen, um diese auf eigens errichteten Hochsitzen
zu
drapieren??? Wieso regnet es??? Fragen über Fragen...
Nach einem
ausgiebigen
Frühstück (BÖRPS!) fuhr Henrike nochmal nach Roskilde
rein,
um ein wenig auf Kultur zu machen. Ich hingegen schlief lieber noch ein
wenig, um dann nach 2-4 Bier zu den norwegischen EBMlern APOPTYGMA
BERZERK
zur White Stage zu wanken. Durch deren Wirken stark ernüchtert
konnte
ich derart zeitig zur Green Stage wechseln, daß ich einen Platz
in
der allerersten Reihe (das hatte ich noch nie bei irgendeinem Konzert)
ergattern konnte. Dann wurde ich allerdings etwas skeptisch: das Zelt
füllte
sich doch sehr langsam, aber als THE CRATURES, d.h. Siouxsie,
Bugdie
und zwei namenlose Lakaien dann kamen, hatte es sich dann doch ganz
ordentlich
gefüllt. Nach etwas verhaltenem Beginn waren weite Teile des
Publikums
(ich natürlich sowieso) ob des gebotenen weitaus mehr als nur
hingerissen
- groß und gewaltig! Und zuweilen sogar etwas komisch, z.B. als
mitten
in "Pluto Drive" plötzlich Teile von Iggy Pops "Nightclubbing"
auftauchten
oder als Siouxsie in dramatischer Pose fast in den Photographengraben
gepurzelt
wäre.
Henrike
freilich
hat das schon gar nicht mehr mitbekommen. Da hat man nun endlich mal
nen
Platz, von wo die Dame auch mal was sehen kann, schon geht sie nach
einer
Viertelstunde, um sich DIE STERNE anzusehen. Nach dem Abgang
der
CREATURES
bin ich dann auch dorthin (zur weißen Bühne) gewandert und
fand
es auch ganz nett - Henrike dagegen war vollkommen hin und wech...
Nach einem
kurzen
Intermezzo bei MOTORPSYCHO (naja) ging es weiter zur Orange
Stage
- und klar: ECHO & THE BUNNYMEN kommen und schon
fängts
an zu regnen. Zudem waren zunächst nur recht wenig Zuschauer da,
so
daß die Band entsprechend lustlos anfing. Plötzlich aber kam
die Sonne wieder heraus, der Platz vor der Bühne füllte sich
wie von Zauberhand und direkt vor der Bühne muß irgendetwas
sehr komisches passiert sein, da Band, Security und Ordner sich
plötzlich
kaputtlachten. Dem Konzert tat das mehr als gut: Alle Langeweile war
plötzlich
wie weggepustet, die Band hängte sich rein und Ian MacCollough
machte
klar, von wem sich Liam Gallagher seine Bühnenposen abgekupfert
hatte.
Zudem entwickelte der Herr unglaubliche Fähigkeiten beim
Zigaretten-Fußball...
Achja, die Musik war auch klasse...
Nachdem wir
bei
den Bunnymen einen Platz recht weit vorne ergattert hatten, blieben wir
gleich dort, um (zur Abwechslung) mal wieder SUEDE zu sehen.
Problem
war nur, daß ca. 10.000 Leute auch diesen Platz für sich
beanspruchten,
so daß wir nach dem 5. oder 6. Stück entnervt den
Rückzug
antraten. Mir gefiel dieser Auftritt auf der Orange Stage nicht ganz so
gut wie der brilliante Gig vom Vortag, aber gut war's natürlich
trotzdem,
auch wenn sich die Setlists nicht wesentlich unterschieden.
Ich ging dann
trotz
etwas nerviger Rückenschmerzen (man wird ja auch nicht
jünger...)
zu den RESIDENTS - das war dann ja doch eher der Kategorie
"Theater"
zuzurechnen. Die Herrschaften mit den überdimensionierten
Augäpfeln
wurden von einer Sängerin und einem Sänger unterstützt
und
stellten optisch recht ansprechend und bunt Szenen aus dem Alten
Testament
dar - etwas anstrengend, aber irgendwie schon faszinierend.
Sie
überzogen
gewaltig, so daß ich nur noch kurz zu den CHEMICAL BROTHERS
ging. Am nächsten Tag war in der Festivalausgabe von "Politiken"
eine
treffende Karikatur zu diesem Event: Eine Menschenmenge tanzte vor
einem
überdimensionierten Fernseher - tja... ich fands ja eher
langweilig.
Ich ging zum Zelt zurück (welches ich allerdings nicht gleich
fand...)
und irgendwann trudelte auch Henrike ein, die sich BOB HUND aus
Schweden angeschaut hatte. Soll wohl ganz gut abgefeiert worden sein.
Sonntag, 4.
Juli
1999
Der Zeltplatz
vermüllte
zusehends und ROSKILDE '99 neigte sich seinem Ende zu. Nach einem
ausgiebigen
Frühstück (hicks) und bei Klasse-Wetter also auf zum
Endspurt:
Mein Gott ja, Debbie Harry hat 3-4 Rettungsringe um die Hüften und
ihr Headbanging sieht etwas panne aus - na und? BLONDIE waren
einfach
klasse und ich stand inmitten einer Gruppe wirklich sehr angenehm
anzuschauender
skandinavischer Damen ;-) - das durfte ich auch, da Henrike sich zur
Yellow
Stage verabschiedet hatte um sich - na?......
SUEDE zum Dritten
anzuschauen (schnarch). Um auf BLONDIE zurückzukommen:
Seltsamerweise
klangen auch die alten Songs kaum angestaubt und es ist schon
faszinierend,
wieviele Hits diese Band in 1 Stunde so aus dem Ärmel
schütteln
kann - hat Spaß gemacht! Dann bin ich auch noch kurz zu SUEDE
gegangen,
die für ihre Zugaben eine Art "Glücksrad" auf die Bühne
holten, an dem dann ein glückliches Mädel die Zugaben
auslosen
durfte - Henrike war etwas angesäuert, daß sie nicht auf die
Bühne durfte...
Vor EVERLASTs
Geröchel sind wir nach 2-3 Minuten geflüchtet und konnten uns
dann auf den vermeintlichen Höhepunkt des Sonntags vorbereiten.
Naja,
Jens hatte uns ja vorgewarnt, daß schon auf dem
Hurricane-Festival
der Auftritt von BLUR nicht gerade toll war - und er hatte
nicht
übertrieben: eine uninspirierte Band schrammelte lustlos vor sich
hin - es war stinklangweilig - so langweilig, daß ich kurzzeitig
zu MERCURY REV wechselte - die waren nur leider genauso
träge.
Also zurück zu BLUR, wo zumindest die Zugeben "Boys &
Girls"
und "Song 2" für etwas Stimmung sorgten - dann wars aber auch
schon
(schon??) vorbei. Für BLUR ist es jedenfalls ziemlich peinlich,
wenn
selbst jemand wie ROBBIE WILLIAMS bessere Versionen der eigenen Songs
abliefert
als man selbst ("Song 2") - nie wieder freiwillig! OASIS haben den
"Krieg"
zurecht gewonnen!
Ursprünglich
war ja der dicke Boy George und sein Culture Club als Abschlußact
vorgesehen - und im nachhinein wäre das vielleicht sogar besser
gewesen.
TV-2
aus Dänemark begannen ja noch ganz spaßig mit irgendeinem
Shanty
über Bornholm als Intro, dann aber folgte etwas, bei dem sich
Henrike
und ich nicht ganz darüber einigen konnten, ob das nun die
dänische
Version von Reinhard Mey oder Westernhagen war - brrrrrrr...
Auf der
grünen
Bühne ging es noch die ganze Nacht weiter, gerne hätten wir
auch
THE
TUBES und LIBERATOR gesehen, aber hey: der menschliche
Körper
kann nur ein gewisses Maß an Belastung ertragen, und wer Konzerte
für 3.15 Uhr ansetzt gehört geschlagen! Daher: Schlafsack,
Bier,
Heia.
Der Aufbruch
am
nächsten Tag und die Heimfahrt gingen (erstaunlicherweise) ohne
Zwischenfälle
oder Verspätungen über die Bühne, so daß als Fazit
wieder einmal nur zu sagen bleibt: Klasse, super, geil, nächstes
Jahr
wieder !!!!
PS: "In die
Diefe
stufeln" meinte Henrike eines Morgens, als sie andeuten wollte,
daß
es Zeit für etwas Körperpflege sei.
Ein
witziges Ereignis am Rande: Eine Frau stümte auf mich zu, deutete
auf mein T-Shirt mit der Aufschrift "JESUS LOVES THE SISTERS" und
fragte
ganz aufgeregt, wo man dies denn bekäme. Als ich dann antwortete,
daß es über das "Reptile House", des Sisters-Fanclubs zu
beziehen
wäre schaute sie mich fassungslos an und fragte, welche Sisters
ich
denn meinte. Nach der Antwort "The Sisters of Mercy" drehte sie sich
wortlos
um und verschwand wieder - seitdem frage ich mich, welch geheime
Botschaften
sie hier vermutete....
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