aus dem "Weser-Kurier"

Acht Fans in Roskilde erdrückt

Roskilde (dpa) - Ein Konzert der US-Band Pearl Jam beim größten europäischen Rockfestival im dänischen Roskilde hat am Wochenende ein tragisches Ende genommen: Acht Fans, darunter ein 26 Jahre alter Polizist aus Hamburg, wurden von der Menschenmenge vor der Hauptbühne erdrückt oder zu Tode getrampelt.
Wie die Polizei in der Kleinstadt westlich von Kopenhagen am Sonntag nach Abschluss der Obduktionen mitteilte, erstickten die durchweg männlichen Opfer, als sie durch den Druck der Masse von hinten auf dem von Regen aufgeweichten Boden die Balance verloren und nicht wieder aufstehen konnten. Unter den Toten sind außer dem Deutschen drei Dänen, drei Schweden und ein Niederländer. 26 Menschen wurden verletzt; ein Australier schwebte am Sonntag noch in Lebensgefahr.

Trotzdem entschieden sich die Veranstalter für eine Fortsetzung des Festivals. Ein Abbruch hätte möglicherweise zu größeren Risiken für die Sicherheit der 74000 zahlenden Besucher, 17000 Helfer, 4500 Medienvertreter und 2000 Musiker mit ihren Crews geführt, begründete Festivalchef Leif Skov die Entscheidung. «Es war ein tragischer Unfall. Menschliches Versagen von Sicherheitskräften vor der Bühne hat es nach unseren bisherigen Erkenntnissen nicht gegeben», kommentierte er das Unglück. Polizeisprecher erklärten nach technischen Untersuchungen vor der Hauptbühne «Orange Scene», alle Absperrungen und andere Sicherheitseinrichtungen hätten vorschriftsmäßig funktioniert.

Das Unglück ereignete sich um 23.30 Uhr, knapp eine Stunde nach Beginn des Konzertes auf der «Orange Scene», wo sich etwa 50 000 Besucher versammelt hatten. Als auch die Musiker auf der Bühne sahen, dass weit vorne stehende Zuschauer durch die drängende Menge bedrohlich eingeklemmt wurden, forderte Sänger Eddie Vedder das Publikum vergeblich auf, zurückzugehen, um Luft für die Eingeklemmten zu schaffen. Als das Ausmaß des Unglücks sichtbar wurde, brach Vedder das Konzert weinend ab. Bei der sofort eingeleiteten Rettungsaktion habe es keinerlei Panik oder ungewöhnliche Aggressivität unter den Zuschauern gegeben, erklärte Skov.

In der Zeitung «Politiken» berichteten Augenzeugen, viele Zuschauer unmittelbar vor der Bühne hätten den Ernst der Lage nicht begriffen. Sie kritisierten, die Sicherheitskräfte hätten viel zu spät eingegriffen. Der Niederländer Ronnie Overgoor sagte: «Manche Leute dachten, sie würden auf Taschen oder so was stehen. Es waren aber hingefallene Menschen.» Er selbst habe auch auf jemandem gestanden, sich aber einfach keinen Platz zur Hilfe verschaffen können. Die Polizei erklärte, man habe noch zu wenige Zeugenaussagen für ein genaues Bild des Hergangs und könne auch nichts über den etwaigen Einfluss von Alkohol oder Drogen sagen.

In der dänischen Öffentlichkeit wurde die Entscheidung zur Fortsetzung des Festivals fast einhellig gebilligt. Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen kündigte eine Untersuchung zur Sicherheitslage bei großen Rockkonzerten an. Mehrere Minister nahmen am Sonntag an einem Trauergottesdienst im Dom von Roskilde teil.

Als Einzige unter 92 nach dem Unglück auftretenden Bands sagten «Oasis» und die «Pet Shop Boys» ihre Auftritte in Roskilde ab. Sie warfen der Festivalleitung vor, nach dem Unglück nichts zusätzlich für die Sicherheit getan zu haben. Das Abhalten von Konzerten nach dem Tod von acht Festival-Besuchern zeige «fehlenden Respekt vor den Toten und ihren Familien». Skov erklärte dazu, er habe die oft unberechenbare und aggressive Reaktion bei Festivals auf Absagen erlebt und warf den britischen Rockstars «mangelnden Respekt vor ihren Fans» vor.

Mehr als zehntausend Besucher gedachten am Tag nach dem Unglück bei einer Zeremonie vor der «Orange Scene» der acht Toten. Der evangelische Bischof von Roskilde, Jan Linhardt, sprach von der Bühne ein Gebet für die Opfer und sagte, trotz des schrecklichen Unglücks dürfe auch beim Festival der Tod nicht über das Leben siegen. Die Stimmung unter Zuschauern auf dem Festivalplatz war nach dem Unglück zunächst stark gedämpft. Zu der von Beobachtern erwarteten massenhaften Abreise von Besuchern kam es nicht. Auch fast alle der 15000 deutschen Besucher blieben nach dem Unglück in Roskilde.

Skov erklärte bei einer ersten Bilanz vor dem Abschluss am Sonntag, es werde auch im nächsten Jahr mit ziemlicher Sicherheit ein Festival in Roskilde geben. Das Festival 2000 sei «sehr, sehr traurig und sehr ungewöhnlich, wegen der würdigen Reaktion des Publikums auf das Unglück aber auch sehr schön gewesen».

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