28. Juni- 1. Juli 2001

Ding Dong, hier sind die BIFLs

Boah, war das heiß! - Sonnenbrand nicht zu knapp, Bierverbrauch ordentlich und phantastische Konzerte prägten das diesjährige Roskilde-Festival.

Unsere Anreise fand dieses Jahr bereits am Dienstag statt, so daß auf dem Campingplatz noch ordentlich Platz war. Letztlich erwies sich der von uns erwählte Platz als nicht sooooo genial, da neben uns ein paar vollkommen degenerierte Dänen (?) haustem, die außer Kiffen und Saufen nur noch Grölen und Rotzen, sowie Müll fabrizieren beherrschten, so daß die Ruhephasen recht selten welche waren... - Hilfe, ich klinge wie der typische Spießbürger!

Ansonsten: Die Anreise lief optimal, die Biervorräte konnten wir noch auf der Fähre auffrischen, und am Mittwoch gings erstmal zu einem Kurztrip nach Kopenhagen. Wunderschöne Stadt, bei Gelegenheit mal eine etwas intensivere Erkundung wert (bei vielleicht etwas dezenteren Temperaturen)! Auf dem Rückweg haben wir noch einen Stop bei DEM Netto-Supermarkt in Roskilde eingelegt und unseren ersten Kasten Øl besorgt. Ach ja, und was zu essen auch. Nachdem wir uns durch die Müllberge unserer Nachbarn gekämpft hatten, konnten wir die Vorräte auch verstauen und uns auch mit dem Verzehr selbiger beschäftigen %-)

DONNERSTAG, 28. Juni 2001
Zum ersten Mal auf dem Festivalgelände. Hähä, dieses Jahr nur noch eine Techno-Bühne, der Hype nähert sich hoffentlich seinem Ende (*fingerkreuz*). Ersten Konzert für uns waren die DEFTONES, die meiner Meinung nach einen relativ schlechten Sound hatten. Die (durchaus vorhandenen) Feinheiten ihrer Musik gingen daher leider in einem Brei verloren. Schade! Wir wanderten dann zu THE HIVES aus Schweden ab. Hinterher erfuhr ich  dann, daß gegen Ende des DEFTONES-Gigs noch der Sänger von TOOL mit auf die Bühne kam. Gemeinsam wurde dann noch der "Passenger" intoniert. Grummel, verpaßt!
THE HIVES fabrizierten eine nette Mischung aus 60ies-Rock und Punk. Es hätte ein richtig nettes Konzert werden können. ABER... Die Ansagen zwischen den Stücken, die sich über weite Strecken wie unterklassiges Las-Vegas-Entertainment-Gebrabbel anhörten, nervten dermaßen, daß das Ganze dadurch ziemlich ungenießbar wurde.
Tja, wäre ich doch gleich zu PLACEBO gegangen... Die Live-Mitschnitte, die ich bisher kannte fand ich ja nicht so dolle, daher hatte ich mich zunächst gegen dieses Konzert entschieden - war ein Fehler. Der Nervfaktor von Mr. Molkos Stimme war unerwartet niedrig und so war der Teil, den ich noch zu sehen bekam doch recht nett! Henrike hingegen war sogar begeistert.
Tja, und dann WYCLEF JEAN. Gut Stimmung gemacht hat er ja, aber wie...? So ca. 85% des Konzerts bestanden aus Coverversionen oder Animierungsgebrüll gen Publikum. Und als Höhepunkt brüllte er dann glatt 3x "Germany is No. 1", bis ihn dann jemand darauf aufmerksam machte, daß er sich in Dänemark befinde... Selten so gelacht!
Zum Abschluß des Abends dann TOOL. Großes Kino! Der Sänger versteckte sich fast durchgehend hinter dem Schlagzeuger und ganz Pink-Floyd-like war auch die restliche Band zumeist nur schemenhaft zu erkennen. Über die diversen Leinwände flimmerten dazu recht abgedrehte Videos - und es war phantastisch!
So endete der Donnerstag dann noch mit einigen Bierchen am Zelt.

Zum neuen Sicherheitskonzept: Die Aufteilung der Bereiche vor den Bühnen (Orange und Grün) mag zwar einen Teil der Atmosphäre genommen haben und weniger euphorisch zu erscheinen, auf der anderen Seite ist es doch sehr angenehm, wenn sich die üblichen Muskelpakete, die sich normalerweise 3 Minuten nach Konzertbeginn einfinden, um sich dann brutal in die vordersten Reihen zu drängen, außen vor bleiben. Und ein Konzert, ohne ständig  crowdsurfende Stiefel im Nacken zu verspüren ist auch was wert.
Frage ist natürlich, ob wirklich immer 30% dieser Bereiche leer bleiben MÜSSEN. Auf der anderen Seite: Lieber etwas übervorsichtig, gerade im Hinblick auf die Ereignisse im letzten Jahr.  Für die Opfer des letztjährigen Unglücks wurde ein Gedenkbereich errichtet: 9 Birken und 9 Findlinge rund um einen großen Gedenkstein mit der Aufschrift "how fragile we are..."

FREITAG, 29. Juni 2001
Unerträgliche Hitze im Zelt - und das schon morgens um 9! Insofern ganz angenehm, daß das erste relevante Konzert bereits um 13 Uhr begann. Nach dem Frühstück also zu THE GATHERING. Großartig! Schöne Musik, super-sympathische Sängerin, die von ihrer niederländischen Fanschar schon vor Beginn mit Sprechchören gefeiert wurde - und was für eine Stimme! Einzig möglicher Kritikpunkt: Etwas mehr schnellere Stücke hätten es schon sein dürfen.
Man konnte eigentlich gleich in der Nähe der grünen Bühne bleiben. THE HELLACOPTERS litten leider auch unter einem ziemlich matschigen Sound, brachten ihren Metal/Rock/Punk aber mit viel Energie rüber. Fein!
Dann wollten wir eigentlich die norwegischen MADRUGADA sehen, die Sonne "zwang" uns dann aber zu einem kühlen Bierchen unter einen Sonnenschirm. War auch nett.
Unser einziger Ausflug zur blauen Bühne war recht skuril: Das "Kitty-Yo!"-Label aus Berlin (?) hatte geladen. Zunächst war RAZ OHARA dran und es war kaum auszuhalten! Pathetisch vorgetragene Folk-Reggae-Songs auf der Akustik-Klampfe. Grausig.
Dann aber warde es richtig nett. Die Mitglieder des JEANS TEAM wirkten wie vier Oberstufen-Schüler, die in Papas Keller einen alten C64 gefunden haben, selbigem den Soundchip entwendet, diesen repliziert und in ihre diversen Bontempi-Heimorgeln eingebaut haben. Dazu ein Baß, ein kleines Schlagzeug und zuweilen eine Gitarre und voíla - this is the Sound der frühen Achtziger. Hat richtig Spaß gemacht und ein Engländer neben mir fragte ständig, WER um Himmels Willen DAS nun sei. Werde mich bei Gelegenheit mal nach Tonträgern umsehen müssen, glaube ich.
Irgendwie waren wir nach diesem Highlight nicht so recht in der Stimmung für BECK, obwohl die ersten Stücke ganz gut rüberkamen - ebenso wie die plötzlich über Allem schwebenden Heißlufballons. Nächstes Mal wieder, wir lenkten unsere Schritte aber langsam wieder Richtung Green Stage.
Ich habe NICK CAVE & THE BAD SEEDS bisher 2x in Roskilde gesehen, aber dieses Mal schlug das Alles! Unglaublich! Groß! Genial! Unrasiert! Blixa schlecht gelaunt und arrogant wie immer, aber sonst.... Boah! Leider haben wir dadurch SENOR COCONUT verpaßt, aber das war es wert.
Auf der Orange Stage haben wir dann noch den Schluß von NEIL YOUNG & CRAZY HORSE mitbekommen, netterweise auch die 3 Stücke, die ich hören wollte: "Hey hey, my my", "Like a hurricane" und "Rocking in a free world". Danke schön!
Eigentlich hätte ich ja gerne noch SORT SOL gesehen, aber hey! Ich bin auch nicht mehr der Jüngste! Prost, heia!

SONNABEND, 30. Juni 2001
*GÄÄÄÄÄHN* - Ausschlafen war leider wegen der Hitze im Zelt nur schwer möglich. Zudem: ALARM!!!! Die Biervorräte gingen zur Neige! Also fuhren wir mit dem Festivalzug nach Roskilde, um diese im Supermarkt unseres Vertrauens wieder aufzufüllen.  Zunächst aber waren wir bei einem Chinesen essen - naajaaaaaa... :( - nicht so richtig gut... Dann war Sightseeing angesagt. Der Dom ist einen Besuch wert, sehr eindrucksvoll. Dann noch kurz diverse Supermärkte abgeklappert (Kau, Mampf & Glugg) und zum Zug zum Festival zurück.

Der Konzerttag begann für uns mit MANU CHAO. Wunderbar! Das Ganze entpuppte sich weniger als das von mir erwartete Reggae-Konzert mit mittelamerikanischen Anleihen als vielmehr als eine Riesen-Ska/Pop/Punk-Sause! Neben Nick Cave der Höhepunkt des gesamten Festivals!
Hm, mit Legenden ist das so eine Sache. Was soll man zu BOB DYLAN sagen? Tut mir leid, aber ich finde es immer noch relativ langweilig, dieser lebenden Legende zuzuhören. Nach 2 Stücken bin ich dann doch wieder zum Zelt zurück um 
a) meinen schmerzenden Rücken zu entspannen 
b) noch 1-2 Bierchen zu vernaschen und 
c) die Kleidung zu wechseln, denn leider setzte nun Regen ein.
Somit kehrte ich dann zur Green Stage (Zelt, hähä) zurück, wo Polly Jean HARVEY - nur mit BH und Rock bekleidet ;-) - ein gutes Konzert ablieferte. Viele neue Stücke, einige ältere, deren Titel ich leider nicht kenne. Trotzdem: wunderbar. Auf dem Rock stand übrigens "Lick Legs".
Tja, schade ROBBIE WILLIAMS. Es regnete und auf der YELLOW STAGE war Hamburg am feiern. Nach 1 1/2 Stücken hieß es daher von meiner Stelle aus "Tschüß".
FÜNF STERNE DELUXE feierten eine große Party, machten sich über ihre eigenen Probleme mit der englischen Sprache und über Robbie lustig, und hatten zumindest die vordere Hälfte des Zeltes voll auf ihrer Seite (die andere Hälfte kam vielleicht nicht aus Deutschland). Die Bässe wummerten für meinen Geschmack zwar etwas zu heftig, aber Spaß hats allemal gemacht. Türlich, türlich.... Übrigens: statt einer Zugabe gab es Holsten-Dosen von Marcnesium für die vorderen Reihen.
Dann noch einen kurzen Blick auf ROBBIE (Hä, "We are the champions" ???) und weiter Richtung STEREO MCs. Auf halbem Weg kam mir schon "Connected" entgegen, so daß ein kleiner Zwischenspurt nötig war. Überraschenderweise kam ich sogar ganz vorne rein. Irgendwie sprang der Funken nicht so richtig auf das Publikum über, die Stimmung hielt sich in ungewohnten Grenzen. Schade, mir hat es trotzdem gefallen. Eigentlich wollten wir uns ja noch FAITHLESS ansehen, aber es regnete leider immer noch, wir waren müde und die Knochen schmezten. Dann doch lieber Schlafsack.

SONNTAG, 1. Juli 2001
Seltsam, seltsam. Lauter Leute, die die vorigen Tage noch kunterbunt gewandet durch die Lande zogen mutierten plötzlich zu Gothic-Anwärtern. Selbst Schnallenschuhe wurden vereinzelt gesichtet. Später mehr. 

Nach dem Frühstück (Wir hatten kein Wasser mehr, so daß ich mir die Zähne mit Bier putzen mußte) war THE GREEN LIZARD dran. Holländer, Henrike fand sie also gut, ich so lala.
FEEDER machen soliden Indie-Rock und waren eigentlich ganz nett, ohne daß irgendetwas im Ohr hängen blieb.
Die QUEENS OF THE STONE AGE spielten auf der Orange Stage und waren dort wohl etwas deplaziert. Kann auch sein, daß das Publikum einfach müde war und die Band nicht gerne am Nachmittag spielt. Jedenfalls war zwar der Publikumsbereich vor der Bühne halbwegs gefüllt, Stimmung kam eigentlich so gut wie nie auf. Wieder einmal: Schade.
Auf dem Weg zurück stolperten wir über die ersten schwarzen Gestalten, die sich bereits 6 Stunden vor dem von ihnen ersehnten Ereignis für die Orange Stage anstellten. Bizarr!
Irgendwie mußten wir ja noch die vorhandenen Biervorräte vermindern, also zurück zum Zelt, Knochen entspannen, abwarten und Bier trinken. 
Später dann: APOCALYPTICA. Abzüge in der B-Note für übertriebenes "Wir-sind-böse-Metaller"-Posing, ansonsten: Großartig! Wahnsinniges Tempo bei den verschiedenen Metallica- und Slayer-Coversongs, die eigenen Stücke fand ich aber fast noch besser. Zum Abschluß Edvard Grieg.
Krasser Gegensatz: DANDY WARHOLS. Ich weiß nicht, welches Kraut die vor ihrem Auftritt geraucht hatten, eines ist aber klar: Aufputschend wirkte das nicht! Die ersten Stücke waren dermaßen tranige Kiffermusik, daß ich schon fast gehen wollte, ehe das Ganze dann doch noch etwas lebhafter und auch besser wurde. Insgesamt eine Enttäuschung mit einigen Highlights: Tütenwurf auf die Bühne und Konfusion über Setlist und Spieldauer. Eigentlich doch irgendwie ganz luschtig.
Trotzdem hätte ich doch lieber zu PATTI SMITH gehen sollen. Der Schluß ihres Auftritts kam jedenfalls sehr gut rüber und im Bachstagebereich war auch schon Robert Smith zu erkennen. Dessen Jünger (zu denen sich inzwischen auch Henrike gesellt hatte) warteten inwischen schon in 30m langen Schlangen...
Auf 90minütiges Warten hatte ich nun keine Lust, daher ging ich für einen Absteche zu AQUA. Grins! Unterwegs kamen mir schon die Töne von "Barbie Girl" entgegen, ansonsten ging da eine sehr witzige Party ab. Metalfreaks und Hippiemädchen lagen sich in den Armen, und ob Lene nun live "singt" oder nicht, interessiert nun wirklich keine Sau.
Tja, und dann also THE CURE. Also, der Spitzname "Fat Bob" war früher ja vielleicht ein unnetter Spitzname, jetzt aber stimmt es einfach. Was für ein Koloß! Ansonsten: Viele ruhigere, neuere Stücke, die eine wirklich euphorische Stimmung zunächst nicht so recht aufkommen ließen. Schöne Lightshow. Als Zugabe dann "Just like heaven", "Inbetween Days" und "A Forest", die einzig etwas schnelleren Stücke, die dann auch zu den erwarteten extatischen Ausrastern bei den Cure-Jüngern führten. War OK.
Ach ja: Die Schlangen hatten sich vor Beginn des Konzertes auf etwa 80-100m ausgeweitet...

Erfreulich, daß das "traditionelle" Abfackeln diverser Gegenstände auf den Zeltplätzen dank diverser Feuerwachen weitgehend eingeschränkt werden konnte, so daß man halbwegs beruhigt einpennen konnte. Das traditionelle Schmücken aller Masten mit Klopapier blieb hingegen natürlich nicht aus ;-)))

Am nächsten Morgen glich der Zeltplatz mal wieder einer einzigen Müllhalde, unsere heißgeliebten Nachbarn z.B. schnitten kuzerhand ihre Zelte auf, um ihren Krempel  herauszuholen und ließen den Rest an Ort und Stelle.

Außerdem noch gesehen: freilaufende, hüpfende Zelte (schließlich im Zaun verendet), Schuhe in Strommasten, brennendes Brot, saubere Dixie-Toiletten (!), Menschen mit Planschbecken (??!?), das T-Shirt "If you don't like oral sex, keep your mouth shut", eine fette Frau mit dem Shirt "Some girls are bigger than others", eine Warnung an Flaschendiebe (Photo folgt), Knuddeleien am Festivaleingang, 10jährige Punkers mit 20cm Iro (grün), das "Twin Peaks"-Camp, Aqua-Lene mit einem "Cannibal Corpse"-Shirt und South Park-Kenny, der mir am Freitagabend über den Weg lief.

Er lebte noch.

PS:
BIFLs sind natürlich BIERFLASCHEN

© 2001 vicus